Tu-Es-Day, 23.09.2025

Das ist doch ein Kinderspiel…

 

Welche Spiele hast Du in Deiner Kindheit mit anderen gespielt?

Ich meine nicht die mit Karten, Spielbrettern oder irgendwelchen Zubehörteilen.

Nein, ich meine die, bei denen die einzigen Zubehörteile ein bisschen Platz und andere Kinder waren.

Ich erinnere mich an Verstecken, Blinde Kuh. Für mich diskriminierend hieß es bei uns auch „Hänschen piep mal“.

Da gab es auch „Fischer, wie tief ist das Wasser“ und „Wer hat Angst vorm bösen Mann“.

Meine Kindheit ist schon so lange her, da war der Mann nicht nur böse, nein, er hatte auch eine Hautfarbe. Schlimm!

Wir wussten es leider noch nicht besser.

 

Bi-Ba-Butzemann oder auch „Der Plumpsack geht herum“ waren auch noch dabei. Das Spiel zählt aber nicht ganz, weil es einen Plumpsack brauchte. Ein Stein tat es aber auch und den werte ich hier mal nicht als besonderes Zubehör.

 

Was ist Deine Wahrnehmung? Werden diese Spiele noch gespielt? Oder durch was wurden sie ersetzt, wovon abgelöst?

 

Was all diese Spiele gemeinsam hatten oder immer noch haben, ist die Bewegung. Und wie bei den meisten Spielen geht es darum,

etwas gemeinsam zu tun.

Ein bisschen paradox ist es schon, etwas gemeinsam zu tun und gleichzeitig einen Wettkampf zu haben,

in dem es um gewinnen und verlieren geht.

Genau wie im richtigen Leben. In der Schule, im Job, in der Familie auch in der Partnerschaft.

Weil es damit noch nicht genug war, hat der Mensch noch Vereine erfunden.

Damit man in Bewegung bleibt, etwas zu tun hat und im Wettkampf ist.

Zum richtigen Verständnis: Ich finde Bewegung gut, ich mag Spiele und ich mag auch Wettkampf. In allen Lebensbereichen.

Ab und zu braucht es aber auch mal eine Pause. Ruhe tut auch mal gut, oder?

 

Vielleicht ist Dir bei meiner Aufzählung der Kinderspiele aufgefallen, dass ein ganz bekanntes und weit verbreitetes Spiel fehlt.

Das Fangen. Du erinnerst Dich?

Bei uns hieß es Kriegen. Es gab Jäger*innen und Gejagte.

 

Wieder wie im richtigen Leben. Wie ist es bei Dir? Jagst Du oder wirst Du gejagt?

Anders als im Kinderspiel verschwimmen die Rollen auch. Auf der Jagd nach Erfolg, Anerkennung, Zuneigung, Wertschätzung und Aufmerksamkeit wirst vielleicht auch Du zur/zum Gejagten.

Immer in Bewegung bleiben! Gibt es denn keine Pause, keine Ruhe? Doch natürlich! Am Wochenende und im Urlaub!

Na ja, da gibt es ja auch Programme, die unbedingt abgearbeitet werden müssen.

 

Zurück zum Spiel „Kriegen“. Bei uns gab es in diesem Spiel eine wichtige Regel:

An einem vereinbarten Ort oder Gegenstand konnte man nicht gefangen werden, war nicht mehr gejagt.

Das konnte ein Baum, eine Mauerecke, ein Garagentor, ein Klettergerüst oder was auch immer sein.

Da war man sicher. Der/die Jäger*in konnte einem nichts anhaben. Da war man geschützt und konnte sich ausruhen und erholen.

Dieser Gegenstand oder Platz hatte bei uns einen Namen. Er hieß „MAL“.

 

Hast Du im richtigen Leben einen solchen Platz? Und wenn nicht, wäre es schön, wenn Du einen hättest?

Einen Platz, an dem Du MAL Pause machen kannst, Dich MAL ausruhen darfst. Du MAL nicht von einer Aufgabe

oder einem Termin zum nächsten jagst oder gejagt wirst.

MAL ausspannen, entspannen. Einfach MAL so.

Vielleicht denkst du jetzt: „Wenn das MAL so einfach wäre! Ich mache die Spielregeln nicht!“

Ich halte mit einem anderen Vielleicht dagegen:

Vielleicht nicht immer und in allen Bereichen. Bei genauem Hinschauen wirst Du aber bestimmt fündig.

Probiere es doch MAL aus.

Von Deinem Ruheplatz die wilde Jagd der anderen zu beobachten.

Oder noch besser: Ganz bei Dir selbst sein, MAL die Ruhe genießen und das Drumherum einfach MAL auszublenden.

Achte jedoch darauf, dass Dein geschützter Ort nicht zu weit weg von Deinem Lebensmittelpunkt ist. Wenn du in Hagen wohnst,

sind der Watzmann, die Nordsee oder Mallorca nicht geeignet. Funktioniert nicht schnell genug. Bist Du da ankommst,

bist Du womöglich schon erlegt und erledigt. Zum Wettkampf auf der Autobahn oder am Flughafen muss ich wohl nichts sagen.

Also nimm einen Platz, den Du ohne großen Aufwand erreichen kannst. Für manche ist es sogar ein besonderer Platz zuhause.

 

Ich bin mir nicht 100prozentig sicher, ich meine aber, dass es früher beim Kriegen spielen erlaubt war,

dass nicht nur eine/r am MAL geschützt war. Du könntest es also auch mit einem lieben Menschen Deiner Wahl versuchen.

Mach aber keinen Wettkampf daraus, wer am besten ausspannen, sich erholen kann.

Dann hast Du den Sinn vom MAL nicht verstanden.

 

Wie gesagt: Ich mag Bewegung und Wettkampf. Ich mag aber auch Pausen und Ausruhen.

Nicht immer. Aber manchMAL.

Passt auch in Dein Leben.

 

Ist doch ein Kinderspiel, oder?

 

© Hans Lunkeit

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